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+++ Blog +++ “Warten auf Godot”

Nadja

Das „Warten auf Godot“
Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!

Mehr als 1000 Menschen starben binnen einer Woche bei dem Versuch vor Krieg, Leid, Vertreibung und Zerstörung ihr eigenes Leben zu retten im Mittelmeer. Phrasen werden gedroschen, Wünsche formuliert und Bedauern geäußert – und WAS hilft das? Oder vor allem WEM hilft das? Wo bleiben denn die so vor der stolz geschwellten Brust getragenen „europäischen Werte“? Sie warten, sie warten – auf Godot.

Ein grundlegender Wandel der EU-Flüchtlingspolitik ist jedoch trotz der steigenden Zahlen von Toten und auch überlebenden Flüchtlingen nicht in Sicht. Seit Jahrzehnten nun schon wird gebastelt, überlegt und abgewogen – leider ohne große Fortschritte.

Menschen, die die Strapazen, die Angst und die Unsicherheit einer Flucht auf sich nehmen; die zu Hause, Freunde und Familie zurücklassen; Menschen die all ihre Ersparnisse geben, um sich von Schleppern in kleinen Booten über das Mittelmeer bringen zu lassen, fliehen in eine ersehnte Sicherheit, um zu überleben. Die beim EU-Sondergipfel am 23. April gefassten Beschlüsse machen wenig Hoffnung Besserung der Situation. Wie das Zehn­Punkte­Papier der EU­Kommission schon vermuten ließ, konzentrieren sich die Maßnahmen und Verabredungen eher auf Schlepperbekämpfung, Fluchtverhinderung und einer weiteren Abschottung Europas.

Die europäischen Staats- und Regierungschef_innen haben beschlossen, die bisherigen Frontex-Missionen „Triton“ und „Poseidon“ finanziell um das dreifache aufzustocken. Am 31. Oktober 2014 wurde die Marineoperation „Mare Nostrum“ zur Seenotrettung von Flüchtlingen beendet. Im Gegensatz zu „Mare Nostrum“ beschränkt sich „Triton“ im Wesentlichen auf die Sicherung der Grenzen. Die im Auftrag von Frontex patrouillierenden Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber sind primär für einen küstennahen Einsatz vorgesehen. Damit wird die wichtige Aufgabe der Seenotrettung in die Obhut einer europäischen Agentur gegeben, die Sinnbild für die Abschottung Europas ist.

Außerdem soll in Zukunft mehr getan werden Schleuserbanden auszuhebeln und mögliche Schleuserboote zu zerstören. Dieser Kampf wird aus meiner Sicht nur dazu führen, dass es noch teurer und gefährlicher für Flüchtlinge wird, nach Europa zu kommen. Im Zusammenhang mit der beschlossenen Ausweitung militärischer Operationen in sogenannten Transitstaaten, die dafür sorgen sollen Flüchtlinge bereits frühzeitig zu stoppen, führt das zu einer gewaltigen Ausweitung der schrecklichen Bedingungen unter denen viele Flüchtlinge, insbesondere in den nordafrikanischen Ländern, im Transit erleiden müssen. Statt zu helfen versagt die EU aus meiner Sicht an dieser Stelle vollkommen. Es ist einzig die Ver- oder Auslagerung des Problems.

Und die Flüchtlinge? – sie „Warten auf Godot“.

Weder wurde auf dem EU-Sondergipfel beschlossen, wie die legale Einreise in die EU für Flüchtlinge deutlich verbessert und zahlenmäßig erhöht werden kann, noch haben sich die Staats- und Regierungschef_innen endlich mit der Frage beschäftigt, wie Asyl europaweit organisiert werden soll. Es kann nicht sein, dass einige Staaten in der EU keine Flüchtlinge aufnehmen und andere, wie Italien oder Griechenland, die am Mittelmeer liegen, kaum Unterstützung durch die anderen Mitgliedstaaten erfahren. Dennoch geht es bei der Aufnahme von Flüchtlingen um Menschen. Das heißt für mich, dass wir ohne Kompromisse über ein europäisches Konzept sprechen müssen, dass es den Menschen, die Schutz suchen ermöglicht zu entscheiden, wo sie diesen finden möchten. Es ist doch deutlich leichter Geld in Europa besser zu verteilen als Menschen! Es müssen endlich einheitliche menschenwürdige Standards in der EU zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung sowie Beratung von Flüchtlingen geschaffen werden!

Die beim Sondergipfel gefassten Beschlüsse sind aus meiner Sicht eine weitere Verzögerungstaktik der Wohlstandselite! Aber sie kostet Menschenleben. Denn selbst wenn die Flüchtlinge des Krieg oder die Verfolgung, die unmenschlichen Lager in Nordafrika und die gnadenlose Überfahrt über das Mittelmeer überleben, so sind sie dennoch danach nicht in sicherer Umgebung oder in dem Europa, der Humanität, der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit!

Oftmals bedeutet es ein dauerhaftes Warten ­ ein „Warten auf Godot“.

29. April 2015 von Nadja Sthamer