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+++ Blog +++ Gesellschaftskritik statt Deutschtümmelei – Nein zum patriotischen Parteimarketing!

Sigmar Gabriel will mehr Patriotismus wagen. Beziehungsweise er wünscht sich die SPD patriotischer. Das wird unter den Jusos vor allem diejenigen bestätigen, die schon immer der Meinung waren, dass Siggi einfach irre ist, und diejenigen, die sich sowieso schon auf einen entspannten, weil wahlkampffreien Sommer 2017 freuen.

Dennoch sollte hier eine Sache, die eigentlich schon X-tausendmal festgestellt wurde, erneut verkündet werden. Patriotismus ist Bullshit. Und die SPD sollte diese Erkenntnis auch nicht zu Gunsten eines smoothen Mittekurses vergessen.

Zwei wesentliche und zugleich einfache Argumentationslinien dienen der Kritik am Patriotismus:

1. Patriotismus ist Unfug:

Das ist eine ziemlich banale Erkenntnis und dennoch die Wahrheit. Es gibt einfach keinen Grund dafür, stolz auf „sein Land“ zu sein. Wieso auch? Die Entscheidung, auf welchem Fleck der Erde ich auf die Welt gepurzelt bin, habe ich in absolut keiner Weise beeinflusst. Und „stolz“ kann man sowieso hauptsächlich auf Dinge sein, die man irgendwie mitzuverantworten hat. Dass die Vorfahren oder „Landsleute“ Dichter, Denker, Erfinder oder NSDAP-Mitglieder waren, gehört beim besten Willen nicht dazu, und sollte wirklich nicht dazu dienen, den eigenen Selbstwert zu steigern. Kurzum: Es gibt schlicht und einfach keinen Grund für Nationalstolz. Wirklich keinen. Patriotismus ist halt ein völlig irrationales Gefühl. Eben Unfug.

2. Patriotismus ist gefährlich:

Das mag der Ein oder dem Anderen vielleicht eine neue Erkenntnis sein. Vor allem für die Fans von Johannes Rau und anderen Irrlichtern unter den Sozialdemokrat*innen, die sich immer noch an das alte Credo halten: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“ Das ist natürlich eine sehr schicke Abgrenzung. Doch ist diese Abgrenzung leider vor allem Wunschdenken. In der Praxis halten sich knallharte rassistische und nationalistische Arschlöcher von PEGIDA genauso für harmlose Patrioten, wie CDU-Innenminister, Fußballfans oder eben auch einige Sozialdemokrat*innen. Denn gerade weil Patriotismus ein völlig irrationales Gefühl ist, kann auch jede*r für sich selbst entscheiden, ob er*sie noch patriotisch oder schon nationalistisch ist. Das Einzige, was diese Personen brauchen, um ihren Patriotismus zu definieren, ist die angebliche „Liebe“ zu ihrem „Vaterland“. Und warum lieben sie dieses Vaterland? Weil irgendetwas an ihrem Land besser sein muss, als an anderen Ländern. In diesem Vergleich werden immer andere Länder abgewertet und als weniger „liebenswert“ erachtet. Und das ist nun einmal scheiße. Und gefährlich. Denn wozu diese Abwertung führen kann und auch tagtäglich führt, wissen wir alle.

Halten wir fest: Patriotismus = gefährlich + Unsinn = gefährlicher Unsinn

Und die SPD sollte sich sehr davor hüten, jetzt auf patriotische Art nach Wählerstimmen zu suchen.

Wir leben in einer Zeit,  in der sich Menschen, die sich als patriotisch empfinden, wöchentlich rassistischen Demonstrationen anschließen und Progromstimmung verbreiten. Es sind Zeiten,  in denen patriotische Verschwörungstheoretiker*innen über „deutsche Souveränität“ schwafeln und damit nur schnöden Antiamerikanismus und Antisemitismus transportieren, Zeiten, in denen vor den Küsten Europas unzählige Menschen ertrinken, weil der patriotische Stammtisch mit seiner „das Boot ist voll“-Mentalität die Regierungen soweit vor sich hertreibt, dass Europa zur Festung wird. Gerade in solchen Zeiten, sollte die SPD lieber mit einem Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Gesamtscheiße aufwarten. Aber bestimmt nicht mit Patriotismus.

Martin Bott, 30. Juni 2015